© Dr. Uwe Wiest, Dipl.-Psych. Delmenhorst, 19.12.2024
1.
der Übergang von einem
Zustand in einen anderen. Wie alle Mehrzeller-Lebewesen gehört der
Tod dazu wie die Geburt. Die Person war vorher nicht vorhanden und ist es auch nach dem Tod nicht.
Tot-Sein ist der Normalzustand.
Der Tod ist das Paradies. Der Tod macht frei. Der
Mensch ist nicht mehr da, und er kann nicht mehr
verantwortlich gemacht und belangt werden. Nicht von anderen Menschen, nicht
von Krankheiten und Schmerzen, von Traurigkeit und Verlusten. Auch
schöne Erlebnisse, Gefühle, Beziehungen gibt es nicht mehr. Der Film
ist einfach zu Ende.
Menschen mit einem erfüllten Leben sterben satt und zufrieden.
Anderen ist das Leben zur Qual geworden. Sie freuen sich auf den Tod
als Erlöser.
Manche wählen den Freitod. Sie erleben Belastung und Freudlosigkeit,
und sie treffen eine Entscheidung. Das würden noch viel mehr
Menschen tun, wenn sie nicht Angst vor den Begleiterscheinungen des
Sterbens hätten.
Sterben und Tod, die beiden werden leicht verwechselt.
Der Tod hat mit dem ethischen sittlichen Verhalten des Individuums
(fast) nichts zu tun.
Erkenntnis macht Angst.
Der Mensch durchläuft die genetisch vorgegebenen Entwicklungsschritte. Wie das Tier.
Unerbittlich die Phasen der Kindheit, des erwachsen Werdens und Seins, des Alterns und Sterbens. Der Mensch ist das einzige Tier das weiß, dass es sterben
muss.
Im Vergleich zu
Tieren ist die Vertreibung aus
dem Paradies des sich nicht Erinnerns durch Sprache und
Langzeitgdächtnis ein Stachel, den wir alle in uns tragen.
Angst vor Verlust, vor Schmerz, Krankheit,
Siechtum und sich daran Erinnern. Angst vor dem Tod, dem unwiederbringlichen Verlust der Individualität. Das große Gehirn mit seiner Erkenntnisfunktion, das ist der Sündenfall. Der Mensch hofft, dass er erlöst und verschont wird, wenn er bestimmte Regeln einhält. Das gilt in der Religion, aber auch in der Medizin.
Der Mensch sucht nach Erlösung und Vollkommenheit, nach Überwindung der eigenen Mängel, daher auch das
Sünden-Theater im Christentum.
Erlösung von außen oder oben.
2.
Das Christentum "verteufelt" den Tod:
Was ist von folgender Religion zu halten - die behauptet:
Der
Brief des Paulus an die Römer, 6:23 - Der Tod ist der Sünde
Sold.
Der Mensch hat ursprünglich ewig gelebt, hat sich gegen Gott
aufgelehnt und wurde von selbigem als Gattung zur Sterblichkeit
verurteilt (Erbsünde). Dann kam Gott als Erlöser in Gestalt des
Jesus von Nazareth, genannt Christus, auf die Welt und opferte sich
für die Menschheit. Halbtot gefoltert und ans Kreuz genagelt war er
nach drei Tagen fast wie neu. Durch seine Auferstehung überwand er
den Tod und versprach allen, die an ihn glauben, das ewige Leben.
Der dreieinige Gott versöhnte sich sozusagen mit sich selbst, als
Chance für die, die an den Messias und seine Auferstehung glauben.
Der Apostel Paulus hat dazu ausgeführt: wäre dem nicht so, wäre das
Christentum eine Irrlehre, der Glaube nutzlos, die Verstorbenen
endgültig verloren. Quelle: 1. Korinther
15. 12-19.
Die Religion bezieht ihre Berechtigung allein aus
der
Diffamierung des Todes, den es zu überwinden gilt.
Wenn das Versprechen
eines ewigen Lebens "bei Gott" nicht ausreicht, um Gläubige bei
der Stange zu halten, erfindet man ein Leben nach dem Tode
in ständiger Qual: die Hölle.
3.
Was macht das Christentum für
Menschen attraktiv -
trotz dieser offenkundig falschen
anthropologischen Annahmen?
- Der kreatürliche Lebenswille.
Wie
andere Lebewesen auch versucht der Mensch sich so lange wie
möglich am Leben zu halten. Das zeigt sich heute in den
Versuchen, dem Altern und Sterben auf die Schliche zu kommen
oder sich digital unsterblich zu machen.
- Das Gedächtnis. Der
Mensch erinnert
sich an längst Verstorbene.
Sie nie wiederzusehen ist schwer zu ertragen, wenn sie für das
Individuum bedeutsam waren. Hinterbliebene fühlen sich allein
gelassen. Das nennt man Trauer. Die Zivilisationen begannen
immer mit Ahnenkulten und Modellen über ein Jenseits, in dem
Verstorbene weiter existieren. Ahnenkulte erlaubten, mit
Verstorbenen weiter zu interagieren.
Auch und im
Christentum ist das möglich: stille Gebete, zum Beispiel am
Grab, zu den "Verblichenen", "Entschlafenen", "zur letzten
Ruhe Gebetteten".
- Die Erinnerung an eigene Verhaltensweisen. Wenn der Mensch erst einmal
die Ergebnisse seines Tuns erfährt, bereut er diese oft und
schämt sich. Er möchte Verhalten ungeschehen machen, noch
einmal eine Chance bekommen. Darin liegt der Ursprung des
Erlebens von Sünde.
Die Religion bietet Entlastung.
- Die Unvollkommenheit
des Menschen.
Menschen sind keine Heiligen. Sie sind oft böse,
hintertrieben, haben ihre Emotionen nicht im Griff, sind
gierig, habgierig, hinterhältig. Sie können aber auch lieben
und andere positive Gefühle haben. Die Menschheitsgeschichte
besteht aus vielen Versuchen, die Unvollkommenheit zu
überwinden. Menschen haben keine angeborene Kleidung,
angepassten Instinkte, Tiere sind viel vollkommener in ihrer
Grundausstattung. Daher entwickelte der Mensch sein Gehirn, als unglaubliches
Kompensierungs-Instrument
und vollbrachte bis zum heutigen Tag quasi "göttliche"
Leistungen.
Menschen wissen aber auch, dass sie sich selber ruinieren
können, sich selber die Lebensgrundlage entziehen können.
- Das
Verlangen nach Rache, nach ausgleichender Gerechtigkeit.
Vielen schlechten, gemeinen Menschen geht es gut, guten,
sozial eingestellten Menschen schlecht. Gute Werke helfen
nicht gegen diese Ungerechtigkeit.
Die christliche Religion verlagert die Gerechtigkeit auf ein
Leben nach dem Tode, auf das jüngste Gericht. Da lässt sich
die Ungerechtigkeit im Diesseits besser ertragen.
- Das Verlangen nach
Schutz und Beistand durch eine höhere Macht, der Einfachheit
halber "Gott" genannt.
Das Vertrauen darauf, dass man mit dieser Instanz
kommunizieren kann, dass sie Rat gibt und Geborgenheit. Der
wirklich religiöse Mensch kann mit den Ritualen in den
Gottesdiensten wenig anfangen und gewinnt seine Stärke durch
das individuelle Gebet. Er
gewinnt in Extremsituationen (30-jähriger Krieg, Nazi-Haft)
ungeheure Kräfte im Vertrauen, dass Gott bei ihm ist.
Der Mensch hofft
geradezu auf den Erlöser aus seiner Unvollkommenheit. Er
möchte den Triumph des erlöst Werdens erleben. Das ist auch
der Antrieb für die großartige christliche Musik, etwa das Weihnachtsoratorium von Bach oder der Messiah
von Händel.
- Gott
in der Gestalt eines wunderbar modellierten Menschenbildes:
Jesus Christus. Eine Gestalt, die man sich vorstellen und anbeten kann, mit der
man eine Unterhaltung führen kann wie von einem Menschen zu
einem ganz guten Freund. Ein Freund, der einen nicht zutextet,
sondern der einen bei sich lässt. Ein Freund, der immer wohlwollend bei dir ist.
- Die
vielen Beispiele
und Modelle
in der Bibel für den Umgang mit anderen Menschen und für gute
moralische Maßstäbe,
in der Malerei,
der Baukunst, der
Musik, der Literatur. 2000 Jahre christliche Kreativität und
Emotionalität.
- Für viele Menschen ist
der Hintergrund der Kirche Ansporn Gutes zu tun und sich für
andere Menschen zu engagieren.
und nicht zuletzt:
- eine dramatische
Geschichte, die anrührt -
- Der
Mensch will Spannendes, Bewegendes, siehe Fernsehen, Krimis,
Serien,
Die Geschichte des Jesus von Nazareth, des Christus, ist eine
aufregende, faszinierende Geschichte. Die Geschichte eines
göttlichen Helden. Sie ist DAS Thema in der abendländischen
Kunst und Musik.
Sie wird in der Offenbarung Johannes noch für die Zunkunft
fortgesetzt: der Kampf des Guten gegen das Böse, die Abrechnung
im jüngsten Gericht.
|